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Geschichtsprojekt-Neuberg » Leben auf dem Lande
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Leben auf dem Lande
Abgelegt unter: 04 Über die Jahrhunderte, 05 Dorfleben vor 1900, 06 Dorfleben 1900 - 1945 — admin at 11:34 am on Donnerstag, November 15, 2007

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1955 legte die Schülerin der Hanauer Mittelschule Irmgard Kirchhoff-Klein “Die Geschichte unseres Hofes” als Abschlußarbeit vor. Aus dem umfangreichen, schönen und mit großer Hingabe geschriebenen Text drucken wir einige Kapitel ab.

Die Anfänge unseres Hofes.

Der Urgroßvater meines Vaters - Johannes Kromm - hatte noch nicht einmal soviel Land, wie wir jetzt (7,6 ha) bebauen und zählte trotzdem nicht zu den kleinsten und ärmsten Bauern des Dorfes. Er wurde 1804 in einem kleinen Fachwerkhäuschen in der Wilhelmstraße geboren. Allerdings gab es damals diesen Straßennamen noch nicht, die 4 Straßen, aus denen das Dorf Ravolzhausen bestand, nannte man je nach ihrer Lage Ober-, Unter-, Hinter- und Mittelgasse. Diese alten Namen haben sich bis auf den heutigen Tag vererbt und ich bin es durchaus gewöhnt, daß ich, wenn ich zu meinen Verwandten komme, mit den Worten begrüßt werde: “Ei, wos wolle dann die Hinnergässer häi?”

Das Fachwerkhäuschen, in dem der Ur-Urgroßvater geboren wurde, mußten wir vor 2 Jahren abreißen, da es vollkommen baufällig war. Es war kurz nach dem 30 jährigen Krieg erbaut worden, also ungefähr 300 Jahre alt. Damals war von dem ganzen Dorf Ravolzhausen ein einziges Haus stehen geblieben, alle anderen waren den Verwüstungen der durchziehenden Heere zum Opfer gefallen. Nach und nach erst bauten die entmutigten Menschen das Dorf wieder auf.

Das erwähnte Häuschen bestand aus Erdgeschoß und erstem Stock; doch waren die Zimmer besonders im Erdgeschoß so niedrig, daß man kaum aufrecht stehen konnte. Auch waren die Räume dunkel und ungesund, und ich kann mir kaum vorstellen, daß die Menschen bei solchen Wohnverhältnissen sich wohlfühlen konnten. Obwohl die Familie Kromm eigentlich das ganze Häuschen für sich allein gebraucht hätte, behalf man sich mit dem Erdgeschoß; der obere Stock wurde vermietet um der paar Pfennige Miete willen, die er einbrachte. Nein, man behalf sich lieber und alle hausten in der kleinen Küche und den zwei Zimmern. Man sparte, wo man konnte, damit nach und nach das Geld für einen neuen Acker zusammenkam. Der Wohlstand und der Reichtum einer Familie wurden zu jener Zeit allein nach der Anzahl der “Morgen”, die sie besaß, geschätzt und bewertet und nach der Größe des Misthaufens vor der Tür, der ja den Viehbestand verriet. Durch zähen Fleiß und unermüdliche Arbeit war es meinem Ur-Urgroßvater schließlich im Jahre 1836 möglich, nachdem er bereits 5 Jahre mit Anna Marie Schwarzhaupt verheiratet war, das Anwesen seines Nachbarn Peter Fuchs aufzukaufen. Bis dahin hatten sie einen gemeinsamen Hof gehabt, auf dem Ihre Stallungen nebeneinander lagen, die sie zum Teil gemeinsam benutzten. Nun hatte das zum Glück ein Ende, denn obwohl man sich auf beiden Seiten redliche Mühe gab, friedlich mit- und nebeneinander zu leben, war ein kleiner Disput hin und wieder unvermeidlich. Da legte z.B. einmal ein Huhn zum Nachbarn oder dessen Gänse waren ins Gemüsegärtchen vorm Haus geraten und schon war der schönste Wortwechsel da! Das alte Sprichwort: “Kompanie ist Lompanie” hatte meine Ur-Urgroßmutter ihrem Mann bald täglich aufgesagt und dieser war bestimmt froh, das nun endlich nicht mehr hören zu müssen. Von jetzt ab konnten sie ihren Viehbestand auch vergrößern und dadurch allmählich soviel Geld zusammenbringen, daß sie sich ein neues Äckerchen kaufen konnten.

Für Ihren eigenen Bedarf brauchten sie nur sehr wenig, denn es wurde gespart, wo es nur ging. Fleisch und Wurst sah man nicht viel auf dem Tisch, da man die Schweine, die man gemästet hatte, verkaufte. Auch die Eier trug man lieber auf den Markt, um ein paar Pfennige zu verdienen Jeden Samstag und oft auch mittwochs um 5 Uhr frühmorgens versammelten sich die Frauen am Dorfausgang und trugen in großen Körben Butter, Eier, und selbstgebackene Brotlaibe auf dem Kopfe nach Hanau zum Wochenmarkt. Das war damals noch recht beschwerlich, denn es war ja noch keine Landstraße erbaut, sondern sie mußten auf holprigen Feldwegen gehen und auch ein großes Stück durch den Lamboywald. Da kam es gar nicht so selten vor, daß eine Frau, wenn es noch dunkel war, über eine Baumwurzel stolperte und in ihrem Korb dann Rührei hatte. Sie mußte danach ihre ganzen Pläne über den Haufen werfen und konnte sich weder die paar Kleinigkeiten für den Haushalt noch die beiden Brötchen kaufen, die sie sich immer dann erlaubte, wenn sie gut verkauft hatte.

Meine Ur-Urgroßmutter brachte sich immer 1/4 Pfund Bohnenkaffee mit, der damals ja nur 30 Pfennige kostete, da nicht viel Zoll auf den eingeführten Waren lag. Mit diesem einzigen Genußmittel, das sie sich erlaubte, heiligte sie sozusagen den Feiertag. Wenn sie dann endlich am Sonntagnachmittag für ein paar Stunden ausruhen konnte, verstand sie es, es sich gemütlich zu machen.

Ganz die Hände in den Schoß legen konnte sie allerdings nicht, denn in einem Bauernhaus gibt es ständig zu flicken und zu nähen. Daß sie in Handarbeiten tüchtig gewesen sein muß, verrät das alte Bettlaken, da wir noch von ihr haben. Das Garn dazu hat sie selbst aus Flachs gesponnen und der Leineweber des Dorfes - es war ein kleiner Bauer, der dieses Handwerk neben seiner Landwirtschaft betrieb, hatte es zu Tuch gewebt. Sie verarbeitete und verzierte den Stoff dann mit viel Liebe und Sorgfalt.

Auch ihr Unterwäsche und die Hemden für ihren Mann nähte sie selbst, dabei darf man nicht vergessen, daß jeder Stich von Hand genäht werden mußte. Für unsere Begriffe heute ist es nur schwer zu verstehen, daß die Leute das grobe Leinen auf der Haut leiden konnten, aber schließlich waren sie nichts anderes gewöhnt. Für das Nähen und Schneidern war nur an Regentagen und im Winter Zeit, ebenso für das Spinnen. Damit sie selber Ihre Wolle hatten, hielten sich meine Ur-Urgroßeltern wie die meisten Dorfbewohner 3 bis 4 Schafe, die der Schäfer, der von der Gemeinde angestellt war, gemeinsam mit den Schafen der anderen Bauern auf die Weide trieb. Er wurde jede Woche von einem anderen Bauern verköstigt. Die Wolle, die man im Frühjahr bei der Schur erhielt, wurde solange gewaschen, bis aller Schmutz entfernt war. Dann verwahrte man sie bei Maikraut und Nußblättern, dem ehemaligen Mottenschutz, bis zum Winter, denn die langen Winterabende mußten ja auch mit einer Arbeit ausgefüllt werden. Zum Spinnen zog die Ur-Urgroßmutter auch hin und wieder ihren Mann zur Hilfe heran. Nach dem Spinnen kam das Stricken. Sie saß dann vor Ihrem Öllämpchen und strickte fleißig Strümpfe und Westen für die ganze Familie; man konnte es sich nicht leisten, derartiges fertig zu kaufen. Die Frauen trugen immer ihre schwarzen Wollstrümpfe, aber die jungen Mädchen strickten sich zu ihren Festkleidern weiße Baumwollstrümpfe.

Die Kleidung von damals

Eine Tracht kannte man zu dieser Zeit in unserer Gegend nicht mehr. Die Frauen trugen sonntags lange schwarze oder dunkelblaue Tuchkleider, die hochgeschlossen waren. Sie bestickten die Kleider mit Perlen und besetzten Sie mit feiner Spitze, so daß diese Gewänder oft recht kostbar wurden. Sie wurden auch ganz besonders geschont und nur and den Feiertagen zum Kirchgang und zum Spazierengehen angezogen. Unter den Kleidern wurden damals schwere Unterröcke getragen, die mit selbstgehäkelten Spitzen besetzt waren. Außer dem Leinenhemd und der offenen Spitzenhose trugen sie auch noch ein festes Mieder. So waren nicht nur die Frauen und die jungen Mädchen im Sommer wie im Winter buchstäblich eingepanzert, auch schon den heranwachsenden Kindern zog man solche festen Miederleibchen an. Die Sitte schrieb das nun mal so vor, und man hätte überall Anstoß erregt, hätte man aus der Reihe getanzt. Werktags bei der Arbeit machten sie es sich freilich etwas bequemer. Allerdings waren die Röcke lang und weit, aber man trug dazu leichtere blusenartige Jacken und komischerweise keine Unterhosen. Die langen Wollstrümpfe aber waren anscheinend unentbehrlich, was man verstehen kann, wenn man bedenkt, daß sie ständig derbe, schwere Stiefel trugen. Selbst sonntags und sogar, wenn bei der Kirchweih getanzt wurde, in den weißen Festkleidern, kannten die Frauen und Mädchen nichts anderes als ihre schwarzen Stiefel. Dieses Schuhwerk mag für die Füße wesentlich gesünder gewesen sein, als es bei der jetzigen Schuhmode der Fall ist, aber die Leute wurden bis zum Abend auch redlich müde in dem schweren Schuhwerk. Sie waren froh, wenn sie nach getaner Arbeit die Stiefel mit den Hausschuhen aus Stroh vertauschen konnten. Es war Sache der Männer, an Regentagen aus dem langen Kornstroh diese Pantoffeln anzufertigen.

Im Sommer allerdings bot sich kaum Gelegenheit, sich darin zu erholen, denn es gab von morgens früh bis abends spät Arbeit in Hülle und Fülle. Aus diesem Grunde fanden die Bauersleute auch kaum Zeit für sich selbst. Damals gab es nicht, wie es heute üblich ist, lange Sitzungen beim Friseur, so etwas kannte man damals nicht, und es war auch nicht notwendig. Einmal im Jahr wurde das Haar gewaschen und hin- und wieder einmal mit der Brennschere bearbeitet. Das war die damalige ganze Haar- und Schönheitspflege. Eine Frau wie die andere flocht ihr Haar zu einem Zopf und steckte diesen als Nest am Hinterkopf zusammen. Wenn das eigene Haar zu dünn war, mußte eben ein falscher Zopf aushelfen. Einen Friseur gab es früher in Ravolzhausen nicht. Samstagsabends und am Sonntagmorgen ging der Rasierer mit seiner Seifenschale, dem Rasierpinsel und dem Rasiermesser von Haus zu Haus und schabte die Barte der Männer. So sehr viele waren es nicht, denn die meisten Männer trugen einen Bart, ganz gleich, ob es ein Schnauzer war oder bei den Älteren ein Backenbart oder gar ein Vollbart.

Die Bedeutung des Martinitags (10 November)

Die letzten Sonntage vor dem Martinitage bereiteten nicht nur meinen Ur-Urgroßeltern einiges Kopfzerbrechen, sondern ich glaube, es ging den anderen Bauersleuten nicht besser. Da saßen Mann und Frau über ihren Büchern und wandten zusammen alle Kenntnisse von der Schule her an, um sämtliche Rechnungen zusammenzustellen, die am 11. November zu bezahlen waren. Meist wurde ja mit den Agrarerzeugnissen bezahlt, die ihr Boden ihnen lieferte, doch auch diese wollten aufgebracht werden, zumal der Boden damals bei weitem nicht so viel hergab wie heute bei den Kunstdüngemitteln. Der Wagner und der Schmied schickten ihre Rechnungen. Der Rasierer, der für seine allwöchentlichen Besuche ausgezahlt werden wollte, kam, um sich die “Simmer” Korn, die ihm zustand, abzuholen. (Eine Simmer, ein altes Gewichtmaß, entsprach etwa 60 Pfund). Auch der Schweinehirt, der allmorgendlich mit seiner Trompete durch die Dorfgassen zog und die Schweine sammelte, um sie auf einer Wiese vor dem Dorf zu hüten, stellte jetzt seine Forderungen. Er bekam jährlich pro Schwein einen großen Körb Kartoffen und ebenfalls eine Simmer Korn. Er bekleidete nebenbei auch noch das Amt des Nachtwächters. Sein treuer Hund, der ihm tagsüber half, die Schweine zusammenzuhalten, unterstützte ihn dabei nach besten Kräften. Allstündlich zogen die beiden ums Dorf, um mit dem Kuhhorn die Zeit von 10 Uhr abends bis 4 Uhr morgens anzublasen. Für diese Dienste wurde er von der Gemeinde bezahlt. Aber da war noch sein Nachbar, der Gänsehirt aus dem kleinen Arme-leuthäuschen, dem man seinen Lohn schuldig war. Er trieb jeden Morgen alle Gänse zum sogenannten “Gänseweiher” vor dem Dorf, wo sie unter seiner Aufsicht bis zum Abend blieben. Es war aber kein sehr einträglicher Beruf; für jede Gans bekam er im Jahr nur 10 Pfennig und ein “Geschad” (4 Pfund) Korn. Allerdings war es eine große Herde, jeder Bauer hatte früher etwa 15 Gänse und mehr.

Von der Verwendung der Gänsefedern
Die Gänsezucht wurde hauptsächlich der Federn wegen früher so stark betrieben. Alle Mütter waren darauf aus, ihren Kindern bei ihrer Heirat ein schönes dickes Bett mitzugeben, und dazu gehörten allerhand Federn. Meine Ur-Urgroßmutter war sehr stolz, daß sie ihrem Christoph bei seiner Verheiratung im Jahre 1857 ein eignes Bett mitgeben konnte. Sie und ihr Mann hatten, wie dies früher allgemein üblich war, ein gemeinsames Ehebett. Es wäre in den engen Wohnung gar nicht genug Platz gewesen, um zwei Betten aufzustellen. Außerdem war es früher Sitte, nur die Töchter bei ihrer Verheiratung mit einem Bett auszustatten. Die jungen Männer bekamen nur einen “Pilv”. Ein Pilv ist ein doppeltes Kissen mit etwa 4 Pfund Federn. In jedem Bett befanden sich davon zwei Stück. Dazu kamen noch zwei Kissen mit je 3 Pfund Federn, ein großes schweres Deckbett mit 8 Pfund Federn Inhalt, sowie ein Unterbett, das über den beiden ziemlich harten Strohsäcken lag und etwa 6 Pfund wog. Das ganze Bett war ungemein hoch, besonders dann, wenn der Strohsack frisch gefüllt war mit langem Kornstroh. Oft konnten sie nur mit Hilfe eines Stuhles in ihr Bett klettern. Ich kann mich noch gut entsinnen, daß meine Großtante geradezu in ihrem Bett saß! Sie behauptete immer, sie bekäme sonst keine Luft.

Eine Bauernhochzeit

Wenn auch das ganze Jahr sehr sparsam gelebt wurde, so wußte man doch auch die Feste zu feiern. Als mein Ur-Großvater heiratete, ging es hoch her. Es wurde von mittags bis in die Nacht hinein geschmaust und getrunken, gesungen und getanzt. Man lacht heute darüber, wenn man hört, was da alles aufgetischt wurde. Sobald das Brautpaar beim Standesamt das Aufgebot bestellt hatte, wurde im engsten Familienkreise diese Tatsache mit Kaffee und Kuchen gefeiert. Das war der sogenannte “Wenkuf” (Weinkauf), der etwa unserem heutigen Polterabend entsprach. Am Samstag vor der Hochzeit ging dann der Bräutigam im Dorf umher, um die Gäste einzuladen. Es war eine beachtliche Anzahl, denn irgendwie war man mit der Mehrzahl der Dorfbewohner verwandt und mochte es noch so weitläufig sein. Das kam daher, daß fast nie ein Mädchen sich einen auswärtigen Burschen nahm oder umgekehrt ein Ravolzhäuser Bursche ein fremdes Mädchen. Die ganz alten Leute sagten dazu: “En Kratzkouche aus em Dorf es besser als en Laab Brut von iwer Feld”! - Dementsprechend hatte auch mein Ur-Großvater gehandelt und sich ein Ravolzhäuser Bauernmädchen zur Frau genommen. Üblicherweise fand die kirchliche Trauung am Sonntagmorgen statt, bei der das ganze Dorf zugegen war, teils der Verwandtschaft und der Freundschaft wegen, teils aus Neugier. Zum Mittagessen versammelten sich die Hochzeitsgäste im Elternhaus der Braut. Nun wurde aufgetragen, daß sich die Tische bogen, man wollte doch nicht gegen andere zurückstehen oder sich gar beschwätzen lassen. Als erstes gab es Reissuppe, Rindfleisch mit Merrettich und Roterüben und Kartoffeln. Als zweiter Gang wurde Schweinefleisch, Sauerkraut und Kartoffelbrei aufgetragen, zum Nachtisch gab es Hirse- oder Reisbrei mit Dörrobst. - Nach dem Essen gingen die Gäste nach Haus, um die Geschenke zu holen. Währenddem wurden den verwandten und befreundeten Familien, die nicht an der Hochzeitsfeier teilnahmen, Kaffee und Kuchen nach Hause geschickt. Torten oder dergleichen Feingebäck kannte man nicht, sondern nur Streusel- oder Obstkuchen aus Hefeteig. Je reicher die Leute waren, desto höhere Kuchen buken sie, und noch heute spricht man bei uns von “Hüttengesäßer Kuchen”, wenn er einmal besonders hoch geraten ist. Dort buken die Frauen nämlich zu Hochzeiten Streuselkuchen, die mindestens 5 cm hoch sein mußten.

Allmählich fanden sich die Hochzeitsgäste wieder ein und übergaben dem jungen Paar ihre Geschenke. Das wichtigste Geschenk, das auch am meisten Aufsehen erregte, war die “Gethemahne” mit dem “Gethekesse”, das die Patin, bei uns “Geth” genannt, brachte. Der besonders fein gearbeitete Weidenkorb mit dem Namen darauf sollte dem gewünschten Kind als erste Schlafstätte dienen. Es lag auch selbstgehäkelte und gestickte Kinderwäsche und ein dickes buntes Kissen mit Schleifen verziert darin. Der Pate des Bräutigams schenkte eine Peitsche und Staatsgeschirr für die Pferde.

So war es auch wirklich. Die Leute brachten nur nützliche Sachen für Haus und Hof. Das Zinngeschirr, das bei jeder Hochzeit von irgend einer Tante geschenkt wurde, zählte schon zum Luxus. Es wurde wenig oder garnicht benutzt, sondern glänzte nur als Zierde und Zeichen des Wohlstandes auf der Schüsselbank. Die Schüsselbank war übrigens der Stolz jeder Hausfrau. Auf ihr standen in Reih und Glied Töpfe, Tassen, Kannen, Teller und Schüsseln, meist aus Ton geformt und mit sinnigen Sprüchen bemalt.

Küchenschränke, so wie wir sie heute haben, gab es damals nicht; man hatte nur kleine halbhohe Schränke mit zwei Türen, in denen die Töpfe und das sonstige Küchengeschirr aufbewahrt wurden. - Ein Geschenk, das die Eltern ihren Kindern bei ihrer Verheiratung mitgaben, war eine Wäschetruhe, bei uns “Lade” genannt. Der Schreiner des Dorfes fertigte sie mit viel Mühe und Geschick an und verzierte sie mit kunstvollen Schnitzereien, wodurch die Truhen meist zu wertvollen Möbelstücken wurden. Oft auch waren sie mit schönen bunten Malereien geschmückt. Noch heute findet man auf dem Lande in fast allen Bauernhäusern Truhen und heute wie damals, als sie noch neu waren, sind sie als praktische Stücke beliebt und benutzt. In erster Linie dienten sie zur Aufbewahrung der Wäsche, des Leinens und des Bettzeugs, womit das junge Paar an seinem Hochzeitstag reich beschenkt wurde.

Doch nun wieder zu unserer Hochzeit zurück. Wenn die geladenen Gäste wieder alle zusammen waren und ihre Geschenke dem Brautpaar überreicht hatten, wurde Kaffee getrunken. Das war am frühen Nachmittag, so gegen 3 Uhr. Kaum war man damit fertig, wurde Wein und Napfkuchen aufgetischt. Die Männer unterhielten sich über Haus, Hof und Vieh, bei den Frauen ging das Gespräch um die Dorfneuigkeiten, um die Kinder und wohl auch um ihre Erlebnisse auf dem Hanauer Wochenmarkt. Vom vielen Erzählen wurde man natürlich wieder hungrig, und wenn gegen 6 Uhr Butterbrot und Käse, sowie Apfelwein und Schnaps aufgefahren wurde, war der notwendige Appetit auch wieder da. Die Stimmung stieg, Apfelwein und Schnaps sorgten dafür, ebenso die Musik, bestehend aus einem alten Trompeter und einem Mann mit einer Ziehharmonika. Der Tanz kam nun zu seinem Recht. War es zunächst die Jugend, die sich froh im Kreise drehte, so kamen auch bald die älteren Semester auf ihre Kosten, je nachdem, was die Musik aufspielte, wurden Schottisch, Walzer und Galopp mit viel Schwung getanzt. Die Abendstunden vergingen in feucht-fröhlicher Stimmung, um 9 Uhr gab es zur allgemeinen Stärkung noch einmal Kaffee und Kuchen, bevor man sich anschickte, die Braut zu “versteigern”. Um die Wette mit den anderen Burschen bot der Bräutigam, und da er ja Sieger bleiben mußte, mag es ihn ein schönes Stück Geld gekostet haben, seine Braut für sich zu erobern. Dann wurde der Braut die Haube aufgesetzt. Auf diesen alten Brauch ist die Redensart zurückzuführen: “Jetz kimmt se aach endlich unner die Hauwe”. Damit war sie nun in den Kreis der Ehefrauen aufgenommen und berechtigt, in der Kirche beim Gottesdienst ihren Platz bei diesen einzunehmen.- Die Gäste ließen es sich Wohlergehen, aber die Köchin hatte alle Hände voll zu tun, um das Abendessen zu richten, das um Mitternacht aufgetragen wurde. Bratenfleisch, Soße und Kartoffeln, allerlei, Salate, Würstchen und Brot kamen auf den Tisch und es wurde tüchtig eingehauen, umsomehr als es auch am dazu gehörigen Getränk nicht fehlte. Hatten die Gäste gar keinen Zug, nach Haus zu gehen, gab es noch einmal Kaffee und Kuchen. Ganz allmählich löste sich die Gesellschaft dann doch auf, um noch ein paar Stunden Schlaf zu finden, denn auch am Tage nach einer Hochzeit fängt die Arbeit in aller Frühe an. Zu Ende war damit die Hochzeitsfeier aber noch nicht. Montag nachmittags fanden sich die näheren Verwandten und die Nachbarn wieder ein, um die übriggebliebenen Reste zu vertilgen. Außerdem war es Ehrensache, der jungen Frau das Geleit bei ihrem Einzug in ihr neues Heim zu geben. Auf festlich geschmücktem Wagen mit herausgeputzten Pferden und der neuen Peitsche in der Hand fuhr der junge Ehemann seine Frau zu seinem Elternhaus. Da konnte dann das ganze Dorf die Aussteuer bestaunen, die auf dem Wagen mitgeführt wurde, von der “Gethemane” bis zur mit Weißzeug gefüllten “Lade”.

Das war vor fast 100 Jahren, am 13. April 1857.

Es wurde eine gute Ehe, sie waren einig und rührten fleißig die Hände. Fünf Kinder, ein Sohn und vier Töchter wuchsen heran. Zusammen mit den Eltern des Ur-Großvaters - dem früher schon erwähnten Ur-Urgroßvater Johannes Kromm und seiner Frau Anna Marie - lebten sie friedlich, bis die Eltern von dieser Welt abberufen wurden.

Die “Russen” – Fabrikation

Der Urgroßvater war ein Mann mit Unternehmungsgeist und Ausdauer, in seiner Frau hatte er eine treue Helferin. Neben ihrer ausgedehnten Landwirtschaft begannen sie nach des Vaters Tode im Jahre 1866 Mauersteine herzustellen. Das Material lieferte ein Acker an der Straße nach Rüdigheim, dessen roter Lehmboden dazu wie geschaffen war. Sie hatten vor, ein Stockwerk auf das Haus aufzubauen und außerdem sollte ein neuer Kuhstall herbei, der alte befand sich im Anschluß an das kleine Wohnhaus, wie dies in damaliger Zeit ganz üblich war. Aber in weiser Voraussicht wollte der Urgroßvater seine Hof neu gestalten, schon aus hygienischen Gründen heraus war das nötig. Um also die Baukosten niedrig zu halten, versuchte der Urgroßvater es mit dem Formen und Brennen von Steinen, und es gelang wider Erwarten gut. Zunächst half ihm dabei der Knecht, den er gedingt hatte. 1868 konnte auf das Wohnhaus ein Stock aufgebaut werden und auch die Stallungen wurden erstellt. Der Maurermeister, der die Arbeiten ausführte, fand die Steine so gut geraten, daß er meinen Urgroßvater in seinem Vorhaben bestärkte, seine Kenntnisse zu verwerten und weiterhin Steine zu brennen. Es wurden ein paar Leute eingestellt, die nun “Russen” - so heissen die Steine noch heute bei uns - anfertigten. In einer Grube wurde der Lehm mit Wasser zu einer zähen Masse tüchtig vermengt und daraus die Steine geformt. Etwa 6 Wochen mußten sie dann an der Luft trocknen, danach wurden sie gebrannt. Sie wurden zu einem sogenannten “Ofen” aufgesetzt, der nichts anderes war, als ein kunstgerecht aufgesetzter Steinhaufen. Man konnte dazu 20.000 bis 120.000 Steine auf einmal brennen, je nachdem, wie viel man hatte. Von außen wurden die Fugen mit Lehm verschmiert, nur an den Seiten blieben des Durchzugs Wegen Öffnungen. Die inneren Zwischenräume, die man beim Bau des Ofens hatte stehen lassen, wurden mit Kohle gefüllt und danach ein Feuer angesteckt, das je nach der Größe des Ofens sechs bis zwölf Tage ununterbrochen brennen mußte.

Unter steter Aufsicht und mit großer Spannung wurde dieser Vorgang verfolgt. Nach Ablauf der Brenndauer mußte gewartet werden, bis die Steine sich abgekühlt hatten. Erst dann konnte man daran gehen zu untersuchen, ob die Arbeit geglückt und die Mühe sich gelohnt hatte. Es kam auch vor, daß bei schlechter Witterung ein Teil der Steine unbrauchbar war, aber das passierte selten, es gab wenig Ausschuß. War es auch harte Arbeit, die hier mit primitiven Mitteln geleistet wurde, sie brachte meinem Urgroßvater Ansehen und Wohlstand, seine Steine waren weit und breit bekannt und aus der ganzen Umgegend kam man, um die Steine vom “Kromme Stoffel” (Christoph) zu kaufen. Mitunter wurden im Jahr über 1/2 Million Steine fabriziert. Es konnte nur in der Zeit vom Frühjahr bis zum Herbst gearbeitet werden, bei Frosteintritt mußte die Fabrikation ruhen. Mein Urgroßvater stellte später Saisonarbeiter aus dem “Fulderland” ein, die vom Frühjahr bis zum Herbst arbeiteten. Die einheimischen Arbeiter wurden in den Wintermonaten mit Lehmabbau beschäftigt, sie flochten die Strohmatten, die zur Abdeckung der Steine nötig waren und brachten ihre Werkzeuge in Ordnung. Es waren lauter fleißige, zuverlässige Leute, die ihrem Arbeitgeber treu zur Seite standen, und durch die und mit denen er gut verdiente und ein wohlhabender Mann wurde.

Seine Landwirtschaft konnte er ständig vergrößern. Die ganze Familie packte bei jeder Arbeit tüchtig zu, niemandem wäre es in den Sinn gekommen, die feine Herrschaft zu spielen. Kindersegen bedeutet auf dem Lande Reichtum, da die heranwachsende Jugend schon früh mitarbeitet und dadurch fremde Arbeitskräfte ersetzt. Trotz Ihrer fünf Kinder mußten die Urgroßeltern aber noch einen Knecht dingen, um die auf 7o Morgen angewachsene Landwirtschaft zu bewältigen.

Die Bewirtschaftung damals und heute

Zwischen der Bestellung des Feldes einst und jetzt lassen sich keine Vergleiche ziehen, die modernen Maschinen, die dem Bauer heute zur Verfügung stehen, ermöglichen die Arbeitsleistung in einem Bruchteil der früheren Zeit und außerdem werden heute fremde Arbeitskräfte eingespart. Schon das Säen mit der Sämaschine geht nicht nur schneller, sondern auch bedeutend gleichmäßiger, als es der Sämann von früher vermochte, dessen bedächtig gleichmäßigen Schritt man heute kaum noch zu sehen bekommt. Ich glaube aber, daß der Bauer niemals mehr so mit seiner Scholle verwachsen sein wird wie damals, als ihm noch bei jeder Hand voll Korn, die er ausstreute, bewußt wurde, daß der Erfolg seiner Arbeit ganz vom Segen des Himmels abhängig ist.

In den Jahren 1903 - 1905 kamen die Mähmaschinen auf, die einen großen Fortschritt bedeuteten. Mit ihnen ging die Erntearbeit schon wesentlich schneller voran, doch mußten immer noch die Garben von Hand gebunden werden. Erst seit dem es Binder gibt, ist die Arbeit ganz wesentlich geringer geworden. Auf unsere 52 Bauernhöfe kommen 14, die Traktoren und Binder besitzen und mit diesen die gesamte Getreideernte erledigen. Die motorisierten Bauern mähen für die anderen mit. Bei günstigem Wetter dauert das Einbringen der Ernte kaum länger als zwei Wochen, während mein Urgroßvater und seine Leute sich mindestens fünf Wochen lang von morgens früh bis in die späte Nacht hinein plagen mußten.

Zu damaliger Zeit wäre auch kein Bauer an Sonntagen aufs Feld gegangen, um die Frucht heimzuholen und mochte auch ein schweres Hagelwetter am Himmel stehen. Die Ehrfurcht vor dem Feiertag verbot so etwas. Heute ist das ganz anders geworden. Bei unbeständigem Wetter wird von vielen Landwirten am Sonntag Frucht nach Hause geholt. Auch für die Bauern lautet die Devise heute “Zeit ist Geld!”. In dem benachbarten Hüttengesäß gibt es sogar einen Mähdrescher, der auf die Äcker fährt, das Getreide mäht und sofort ausdrischt. Das ist natürlich ein ungeheurer Fortschritt in unserem Zeitalter der Technik, nur dürfen die Menschen sich von der Technik nicht knechten lassen, sondern müssen über ihr stehen.

Das Dreschen

Das Dreschen mit Dreschflegeln war eine recht langweilige und mühsame Arbeit. Von den kleineren Bauern fanden sich 3 oder 4 zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen, einer half dem anderen. Wenn im Herbst die Außenarbeit getan war, fing man an. Die Garben wurden auf dem Boden der Tenne ausgebreitet und im Takt wurde auf die Ähren eingeschlagen, bis alle Körner herausgefallen waren. Dann kamen die Körner in die sogenannte “Windmühle”, in der die Körner von der Spreu gereinigt wurden. Diese kleine Maschine bestand aus einem Trichter, der die ungereinigten Körner aufnahm. Eine von Hand in Bewegung gesetzte Kurbel brachte die unterhalb des Trichters angebrachten Flügel in Bewegung, der erzeugte Luftzug trennte die leichte Spreu von den schwereren Körnern. Die begüterten Bauern, die sehr viel Frucht zu dreschen hatten, ließen sich Drescher aus dem “Fulderland” kommen, die ihr Handwerk verstanden und sehr fleißig waren. Bei der Arbeit entwickelten sie aber auch einen gehörigen Appetit, der sprichwörtlich geworden ist, sagt man doch heute von einem, der viel ißt: “der eßt wei en Fulder Drescher!” Wenn sich im Laufe der Zeit auch manches geändert hat, ein alter Brauch hat sich bis heute gehalten: “Zum Dreschen gehört der Kochkäse!”

Im Jahre 1898 kam zum ersten Mal eine Dreschmaschine in unser Dorf. Heute wie damals geht die Dreschmaschine dann innerhalb einiger Wochen von Hof zu Hof. Nach einem alljährlich festgelegten Plan wird auf den einzelnen Bauernhöfen gedroschen. Die Anschaffung einer eigenen Dreschmaschine rentiert nur bei ganz großen Liegenschaften, etwa bei großen Gütern oder Domänen. Bevor die Drescharbeit auf den Höfen beginnt, wird die Dreschmaschine vor dem Dorf an einem Feldweg aufgestellt und dort wird das Getreide der kleinen Anbauer gedroschen, der Leute, die nicht dem Bauernstand angehören, aber einen oder zwei Äckern haben, auf denen sie das Getreide für ihren Eigenbedarf bauen. In unserem Dorf sind das sehr viele. Erst wenn hier alles gedroschen ist, beginnt die Arbeit im Dorf. Tags zuvor wird die Maschine startbereit gemacht, der Anschluß an das Stromnetz vollzogen und am nächsten Morgen um 5 1/4 Uhr sitzen die Helfer, 12 bis 14 Männer, am Kaffeetisch der Hausfrau, um sich für die bevorstehende Arbeit zu stärken. Pünktlich auf die Minute um 5 1/2 Uhr läuft die Maschine und alles ist auf dem zugeteilten Posten. Um 9 Uhr folgt das zweite sehr ausgiebige Frühstück, von 11 1/4 bis 12 1/2 Uhr ist Stromsperre für die Dreschmaschine, damit die Hausfrauen für Ihre elektrischen Kochherde genügend Strom zur Verfügung haben. In dieser Zeit gibt es dann Mittagessen, bei dem gehörig eingehauen wird. Je nach der Menge des zu dreschenden Getreides geht es dann weiter, oftmals geht ein ganzer Tag darauf, bis bei den größeren Gehöften alles gedroschen ist. Bei kleineren Landwirtschaften ist man schon am frühen Nachmittag fertig, und dann wird der Rest des Tages ausgenutzt, um bei einem Nachbarn, der nicht viel zu dreschen hat, weiterzuarbeiten. Unter den Helfern sind immer einige befreundete Bauern, die zur Abgeltung ihrer Hilfe dann von dem, bei dem sie einsprangen, wieder geholfen bekommen, wenn die Dreschmaschine zu ihm kommt. Hier herrscht ein schöner Gemeinschaftsgeist, der sich in gegenseitiger Hilfe zeigt.

Mit der Dreschmaschine können am Tage 18 Morgen Frucht gedroschen werden, während drei tüchtige Drescher mit ihrem Dreschflegel 2 bis 3 Tage brauchen, um einen Morgen zu dreschen.

Der Peterstag - 22. Februar - und seine frühere Bedeutung für die Landwirtschaft

Früher dingten die Bauern ihre Knechte und Mägde jeweils von Peterstag zu Peterstag. Bei uns im Ort waren Knechte und Mägde meistens die Söhne und Töchter armer Leute, denen das Geld fehlte, um ihre Kinder einen Beruf lernen zu lassen. Da die Industrie damals erst im Werden begriffen war, gab es für die heranwachsende Jugend kaum eine andere Möglichkeit des Verdienens als bei einem Bauern in Dienst zu gehen. Gewöhnlich hatten sie schon als Kinder auf dem Hof mitgearbeitet, nur damit sie ihr gutes Essen hatten, und nach ihrer Entlassung aus der Schule kamen sie dann meistens als Knechte und Mägde auf den Hof. Nach dem Jahre 1888, als ihre drei ältesten Töchter verheiratet waren und der Sohn eine junge Frau ins Haus gebracht hatte, hatten meine Urgroßeltern stets eine Magd und zwei Knechte. Sie gehörten wohl zu den angesehensten und reichsten Bauern des Dorfes, die “Russenfabrikation” hatte Ihnen zu Wohlstand verholfen. Zwei Gespann Pferde wechselten ständig zwischen Feldarbeit und Steinefahren, damit jedes Gespann einmal leichtere und einmal schwerere Arbeit zu leisten hatte. Der Lohn für das ganze Jahr wurde am Peterstag in einer Summe ausgezahlt. Für heutige Begriffe war das ein sehr kleiner Betrag, aber noch heute sind die landwirtschaftlichen Hilfskräfte die am schlechtesten bezahlten überhaupt. Zwar hatten die Knechte und Mägde keine Ausgaben für ihren Lebensunterhalt, und hin und wieder bekamen sie auch wohl einmal ein Kleidungsstück oder ein paar Schuhe von ihrer Herrschaft geschenkt. Ganz früher bekamen sie ihre Kleidung vollständig gestellt und einen Teil ihres Verdienstes in Naturalien. Ein “Dingvertrag” aus dem Jahre 1854 hatte folgenden Wortlaut:

Dingzettel
für den Knecht Johann Adam Schneider aus Ravolzhausen von Peterstag 1854 bis dahin 1855.

Er bekommt an Lohn:

  • 15 Taler bares Geld;
  • 2 Anzüge, Jacke, Weste und Hose, einen aus gekauftem Zeug und eine aus Beiderwand;
  • 2 Hemden, leinene, 1 Pfund Wolle;
  • 1 Paar Halbstiefel und ein Paar Schuhe;
  • 2 Paar Sohlen, dazu Eisen und 400 Nägel, das Schuhzeug wird ihm im Flicken erhalten.
  • Wenn ein Paar Ochsen verkauft werden, erhält er einen Thaler Trinkgeld und auf die Kirmes 2 Thaler extra.
  • 1 Thaler Dinggeld hat er heute erhalten.
  • Will der Knecht das nächste Jahr nicht mehr bleiben, dann hat er noch vor Neujahr 1855 den Dienst aufzusagen.

Vorgelesen, Ravolzhausen, den 2. Januar 1854

Dann folgte die ziemlich unbeholfene Unterschrift des Gedingten.

Für eine Magd lautete der Dingzettel wie folgt:

Dingzettel
für die Magd Katharine Richter aus Ravolzhausen von Peterstag 1860 bis dahin 1861.

Sie erhält an Lohn:

  • 20 Gulden in Gelde;
  • 1 Sonntagsanzug, Jacke und Rock mit Leibchen, die Jacke aus Tuch und der Rock aus Rasch, das Leibchen auch aus Tuch;
  • 2 Schürzen, eine auf Sonntag von Wollenzeug und eine gedruckte;
  • 3 Halstücher, ein halbseidenes, ein wollenes und ein gedrucktes;
  • 2 leinene Hemden und 1 Pfund Wolle;
  • 2 Paar Schuhe und 1 Paar Sohlen; das Schuhwerk wird im Flicken erhalten;
  • 2 Metzen Lein gesäht, der Flachs wird ihr nach dem Rupfen heimgefahren. Für die Spinnstube erhält sie das Mehl und alles, was gebräuchlich ist. Wenn die Magd für das nächste Jahr nicht mehr bleiben will, dann hat sie rechtzeitig aufzusagen, bis Neujahr 1861.
  • 1 Gulden Dinggeld ist ihr heute gegeben worden.

Vorgelesen und unterschrieben, den 30. Dezember 1859.
gez. Katharine Richter.

Die Knechte und Mägde blieben oft lange Jahre bei einer Herrschaft. Sie fühlten sich zur Familie gehörend und wurden gut behandelt. Nur selten und ungern wurde eine Stelle gewechselt, und wenn es schon sein mußte, vollzog sich das am Peterstag oder wie es bei uns heißt “Pirresch-doag”. Nach dem Krieg 1870/71 wurden die Löhne besser. Im Jahre 1890 bekam bei meinem Urgroßvater ein Knecht, der selbständig und fleißig arbeitete, 250 bis 300 Mark Lohn im Jahr. Wenn er Familie hatte bekam er dazu einige Zentner Kartoffeln und konnte für sich nebenbei 1/2 Morgen Ackerland bestellen. Ein Paar Schuhe im Jahr und ein Trinkgeld bei besonderen Anlässen verstanden sich von selbst. Die Mägde waren Töchter aus armen, meist kinderreichen Familien, die wenig oder gar kein Land hatten. Sie verdingten sich zum Bauern, um sich vor allem ihre Aussteuer zu verdienen, was nicht ganz leicht war, da die Mägde ja nur wenig Lohn bekamen. Wenn einer Magd an Weihnachten von ihrer Herrschaft ein halber Bettbezug oder wie man es nannte, ein “Blatt” geschenkt wurde, mußte sie zusehen, daß sie sich in ihrer spärlichen Freizeit Flachs spann für das fehlende Leinen zur zweiten Hälfte des Bezugs. Der Arbeitstag damals war lang, er ging trotz des geringen Lohns nicht nach 8 Stunden zu Ende, wie das heute bei den Hausangestellten der Fall ist. An vielen Abenden mußten die Mägde für die Herrschaft spinnen und stricken, nur die Mittwoch- und Samstag-Abende gehörten ihnen. Auch die armen Mädchen setzten ihren Stolz dran, bei ihrer Verheiratung eine schöne Wäscheaussteuer zu haben. Das wenigste, was ein Mädchen mitbringen mußte, waren 10 Bettbezüge, 12 Bettücher, 20 Kissen, 36 Handtücher und 15 Hemden. Den Flachs spannen sie selbst und aus dem Leinen wurde jedes Stück mühsam mit der Hand genäht. Das kostete viel Mühe und Zeit und manches Mädchen wurde dabei älter als ihm lieb war, bis es heiraten konnte.

Bei den Bauerntöchtern war es ähnlich, auch sie mußten sich plagen, bis die ganze Aussteuer genäht war. Man mußte soviel haben, daß es für ein langes Leben reichte. Die Hauptaussteuer war bei ihnen ja Äcker, Wiesen, Vieh oder gar ein Bauernhof. Meinem Urgroßvater war es möglich, seinen fünf Kindern bei ihrer Verheiratung ein ansehnliches Erbe zu überschreiben. Seiner ältesten Tochter ließ er eine Hofraite erbauen, die Steine dazu lieferten seine “Russenfabrik”.

Ein Strickabend

Man kann sich vorstellen, daß in einem Haus, wo vier junge Mädchen sind, und meine Urgroßeltern hatten ja diese stattliche Zahl Töchter, stets Leben und Treiben anzutreffen war. Zwar fanden sie im Sommer werktags nicht einmal Zeit, um mit ihren Freundinnen auch nur zu einer Plauderstunde zusammenzukommen, doch im Herbst und im Winter holten sie das umso ausgiebiger nach. Jeden Abend kamen die befreundeten Mädchen, es waren meist sieben bis acht, mit ihrem Strickzeug zu einer anderen nach Haus. Schon beizeiten war die lustige Gesellschaft versammelt, denn man war bemüht, das Vieh zu versorgen, solange es noch hell war, damit das Oellämpchen, das nur einen spärlichen Lichtstrahl verbreitete, nicht unnütz in Anspruch genommen werden mußte. Kaum saßen die Mädchen mit ihren Handarbeiten rund um das Licht, als sich auch schon die Burschen einfanden, mit denen sie in Gesellschaft gingen. So war für Unterhaltung und gute Stimmung gesorgt. Wie die Luchse paßten die Burschen auf, ob nicht einem der Mädchen das Garn zu Boden fallen würde. Das gaben sie dann nicht eher zurück, bis sie zum Lohn für das aufheben einen Kuß bekommen hatten. Sobald ein Mädchen einmal das Zimmer verließ, wickelten sie ihr das Garn um sämtliche Stühle und trieben allerhand sonstigen Unfug, der auch damals, genau wie heute, zur Jugend gehörte. Wenn die Jungen nichts Neues mehr zu erzählen wußten, wurden bei den Alten Jugenderinnerungen und besondere Ereignisse ihres Lebens wieder wach. Es muß hier gesagt werden, daß nicht selten Gespenster - und Hexengeschichten unter ihren Erzählungen waren, denn trotz ihres starken Glaubens an Gott waren die Leute früher sehr abergläubisch. Doch waren die Spinn- und Strickabende auch Stätten, wo das alte Volkstum und das Volkslied gepflegt und von Generation zu Generation weitervererbt wurde.

Das Latwärjekochen (Marmeladekochen)

Zur Zeit der Zwetschen- und der Birnenernte fielen die Strickabende aus, denn dann wurde die Jugend zu den Verwandten und Bekannten zum “Latwärjekochen” eingeladen. Am ersten Abend wurden die Zwetschen gekernt und die Birnen geschält. Anschließend gab es zur Feier des Tages für die fleißigen Helferinnen Kaffee und Zwetschenkuchen. Dann stieg gewöhnlich der Übermut so, daß man dazu überging, irgendjemanden noch einen Schabernak zu spielen. Es war einer, den man “auf der Latte” hatte, zu dessen Hof zog man mit den Zwetschenkernen und segnete ihn mit den Abfällen! Für den Spott brauchte der Gefoppte nicht zu sorgen, unter dem Lachen und den spöttischen Zurufen der Nachbarn mußte er wohl oder übel am anderen Morgen die Zwetschenkerne zusammenkehren. - Am nächsten Abend wurde die Latwärje dann fertig gekocht und dazu fanden sich alle noch einmal ein. Abwechselnd mußte jeder einmal den Rührer führen, bis nach 12 Stunden das Mus fertig war und die irdenen Töpfe damit gefüllt werden konnten. Diesmal wurden die Kinder gefoppt, sie wurden fortgeschickt, den gläsernen “Stiwel” (Stiefel) zu holen. Gutgläubig liefen sie von einem Ende des Ortes zum anderen und mußten zu Schluß doch ohne ihn zurückkommen mit der Erkenntnis, daß die Großen sie zum Narren gehalten hatten.

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